Lehrer Siegfried Sommerfeld.

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Lehrer Siegfried Sommerfeld.

Beitrag von -sd- » 08.02.2009, 13:55

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Dieter Przygode schrieb am 7. Februar 2009 u.a.

Habe auch etwas zum Namen SOMMERFELD beizutragen: Im Zuge meiner Recherchen zu jüdischen Familien
aus Bramsche bin ich auf einen Lehrer Siegfried Sommerfeld gestoßen, der ein Jahr hier unterrichtet hat und
wegen 'nichtarischer Abstammung' im Oktober 1933 aus dem Schuldienst entlassen worden ist. Er selbst
war evangelisch, muß aber in seiner Vorfahrenliste jüdische Verwandte gehabt haben. Er stammte gebürtig
aus Berlin-Charlottenburg. Wenn es dazu zufällig eine Verbindung geben sollte ?

In Berlin gab es eine ganze Menge Sommerfelds. Übrigens sind die Berliner Adressbücher bis 1945 online
einsehbar bei der Berliner Landesbibliothek: www.adressbuch.zlb.de

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8. Februar 2009

Als nachgewiesen kann ich annehmen, daß S. am 01. Oktober 1932 in Bramsche eine Lehrerstelle angetreten
hat; er war zuvor in Nordhorn. Aus alten Zeitungsberichten er 'Bramscher Nachrichten' geht hervor, daß er
im hiesigen Bürgergesangverein mitgewirkt hat, und zwar an der Geige. Sicher ist auch, daß er 1933 aus dem
Schuldienst entlassen wurde (Beleg dafür: handgeschriebene Schulchronik der Meyerhofschule Bramsche).
Weiter steht fest, daß er am 06. Juli 1980 in Osnabrück verstorben ist (Auskunft Standesamt Osnabrück).

Was dazwischen war, stützt sich auf Aussagen von Zeitzeugen, vorwiegend ehemalige Schüler von ihm. Im
Jahre 2007 habe ich eine Ausstellung zum 'Schicksal der Bramscher Juden in der Zeit des Nationalsozialismus'
konzipiert, die im Tuchmachermuseum in Bramsche gezeigt wurde, darunter gab es auch eine Tafel zu
Siegfried Sommerfeld (auf der Basis meines damaligen Kenntnisstandes).

Ich bin an Hinweisen zu diesem spannenden Thema und einem Gedankenaustausch sehr interessiert.

Meine Angaben kannst Du gerne - mit einem Hinweis auf den Urheber - verwenden.

Dieter Przygode
Mailto: dieter.przygode(at)osnanet.de

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Anmerkung: Ungeklärt ist, ob und inwieweit eine Identität mit dem in einem anderen Sachzusammenhang
genannten Siegfried Sommerfeld besteht. Siehe > viewtopic.php?t=578

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Beitrag von -sd- » 08.02.2009, 14:21

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Siegfried Sommerfeld

Siegfried Sommerfeld wird in der Schulchronik der Meyerhofschule Bramsche zum Schuljahr 1932 erstmalig erwähnt.
Er kam aus Nordhorn und trat die Nachfolge des am 01. Oktober versetzten Lehrers Meerkamp an. "Er war ein außer-
gewöhnlicher Lehrer in seinen Fähigkeiten und seinem Charakter", erinnert sich Heinz Aulfes, ein ehemaliger Schüler,
an ihn. Sommerfeld sei der einzige aus dem Lehrerkollegium gewesen, der seine Klasse nicht mit dem Deutschen Gruß
"Heil Hitler !" sondern mit "Guten Morgen !" begrüßte und sie anschließend beten ließ. "Er war ein beliebter Lehrer,
vor dem man Respekt, aber keine Angst hatte."

Für die Volkszählung am 16. Juni 1933 wurde Sommerfeld als Zähler für den Zählbezirk 10 (Otterbreite / Otterkamp)
eingesetzt, in dem unter anderen auch die Familie des Viehhändlers Voss wohnte.

In der Klasse hatte sich herumgesprochen, daß Sommerfeld Jude bzw. zumindest Halbjude war. Im Herbst 1933
mußte er die Schule bereits wieder verlassen, weil ihn die Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft und aus politischen
Gründen für untragbar hielten. In der Schulchronik heißt es dazu: 'Zum 1. Oktober trat wieder ein Lehrerwechsel ein:
der seit einem Jahr hier angestellte Lehrer Sommerfeld wurde zum 1. Okt.[ober] aus dem Schuldienst entlassen
wegen nichtarischer Abstammung. An seine Stelle trat Lehrer Pg. [Parteigenosse] Spahn aus Haste.'

Siegfried Sommerfeld ist danach offensichtlich nach Osnabrück verzogen, denn im Adreßbuch der Stadt Osnabrück von
1938 / 39 ist im Haus Lohstraße 51 ein 'Sommerfeld, Siegfried, Lehrer i. R.[im Ruhestand]' verzeichnet. Dieses bestätigen
auch die Angaben von Heinz Aulfes, der ab 1941 die Oberschule in Osnabrück besuchte und viele Stunden bei Ludwig
Bäte verbrachte. Bei Bäte hat er seinen ehemaligen Lehrer Sommerfeld wieder getroffen. Dieser sei nach seinem Aus-
scheiden als Lehrer zunächst bei einer jüdischen Organisation in Osnabrück beschäftigt gewesen und danach, als die
Nazis ab 1944 damit begannen, auch Halbjuden aufzugreifen und in Konzentrationslager zu deportieren, von verschie-
denen Freunden jeweils im Wechsel für ein bis zwei Wochen versteckt worden sein, unter anderen auch bei Ludwig
Bäte.

In einer Liste ohne Datum, die mit 'Lager Wintjenberg (Mischlingslager)' überschrieben ist und die der Osnabrücker
Historiker Dr. Volker Issmer in einem Nachlaß entdeckt hat, ist als 'Mischling 1. Grades' vermerkt, daß Siegfried
Sommerfeld, geboren am 14.12.1899 in Charlottenburg, Lehrer, wohnhaft in Osnabrück, Lürmannstr. 28, ledig,
vermutlich nach dem Sammeltransport vom 19.10.1944 in das Lager deportiert worden ist. Die Angaben von Heinz
Aulfes, daß Sommerfeld versteckt worden sei, stehen diesem entgegen. Bislang konnte nicht mit Sicherheit nachge-
wiesen werden, ob Sommerfeld tatsächlich in das Lager Wintjenberg deportiert worden ist oder ob er die Zeit im
Versteck überstanden hat. Denkbar wäre auch, daß die Absicht, ihn in das 'Mischlingslager' zu deportieren, nicht
in die Tat umgesetzt werden konnte, weil Sommerfeld nicht aufzugreifen war, eben weil er vom Freundeskreis um
Bäte versteckt gehalten wurde.

Sommerfeld soll dann 1946 / 47 nach England emigriert, aber bereits 1950 wieder zurückgekehrt sein, weil er sich
dort nicht wohl gefühlt habe. Danach soll er wieder als Musiklehrer an einer Schule in Osnabrück tätig gewesen sein.
Am 06. Juli 1980 ist Siegfried Sommerfeld in Osnabrück verstorben.

Dieter Przygode
Mailto: dieter.przygode(at)osnanet.de

Quelle mit Foto:
http://www.os-nachbarn.de/Magazin/Brams ... _entlassen

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Hallo Dieter,

das mit dem Siegfried Sommerfeld ist natürlich mehr als spannend.
Es sieht fast so aus, als handele es sich um diesen Siegfried:
viewtopic.php?t=578

Nun fände ich es von großem Gewinn, wenn ich Deinen obigen Mail-Text
hinzufügen dürfte. Das macht die ganze Sache noch anschaulicher.
Das sind schicksalshafte Lebensgeschichten.
Ich würde mich also mächtig freuen, wenn Du mir dafür Dein Einverständnis
signalisierst. Gibt's noch mehr Hintergrund-Info's dazu ?

Es grüßt und dankt einstweilen
Dieter


--

Meine Angaben kannst Du gerne - mit einem Hinweis auf den Urheber - verwenden. Dieter Przygode
Zuletzt geändert von -sd- am 14.11.2011, 15:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Lehrer Sommerfeld aus Berlin-Charlottenburg.

Beitrag von -sd- » 29.10.2010, 18:15

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12. Oktober 2010

Bin auf der Suche nach dem Lehrer Siegfried Sommerfeld,
* 14. Dezember 1899 in Charlottenburg. Siegfried S. ist 1932
von Nordhorn (das liegt im Emsland) an die Schule nach Bramsche
versetzt worden. Nur ein Jahr später wurde er "wegen nichtarischer
Abstammung" aus dem Schuldienst entlassen. Er ist dann nach
Osnabrück gegangen und hat dort den Krieg überlebt. Dort ist er
- unverheiratet - 1980 verstorben.

Ich interessiere mich deshalb für ihn, weil ich zum Schicksal
der Bramscher Juden recherchiere. Da gehörte Sommerfeld
vermutlich zu den sogenannten "Mischlingen".

Ich habe versucht, in den Berliner Adressbüchern einen Ansatz-
punkt zu finden, aber da gibt es so viele Sommerfelds.
Vielleicht kann mir jemand von Euch einen Tipp geben ...

Es grüßt aus dem Osnabrücker Land

Dieter Przygode, Bramsche
E-Mail: dieter.przygode(at)osnanet.de

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Hallo Dieter,

natürlich darfst Du meine Mitteilung an Dich in Deinem Forum verwenden.
Hast du denn noch mehr background zu diesem Sommerfeld gefunden ?

MfG. Fritz


--

Fritz Hopfgarten schrieb:

Von meinen Eltern weiß ich, daß Siegfried Sommerfeld 1933
aus Deutschland flüchten mußte, nachdem ihn die Nazis
in seiner Heimatstadt Osnabrück aus politischen Gründen
ins Gefängnis gesteckt hatten, aus dem er aber entwischen
konnte. Angeblich konnte er in den Niederlanden als Heizer
auf einem Schiff nach den USA anheuern, auf dem er allerdings
durch eine Kesselexplosion ums Leben gekommen sein soll.


Hallo, Dieter,
meine Eltern sind schon lange verstorben, deshalb muß ich versuchen,
diese Sommerfeld-Story aus dem Gedächtnis zusammenzuklauben.

Ich meine, daß Siegfried Sommerfeld Halbjude und bei der 'Freien Presse' in Osnabrück tätig
war, die der SPD nahestand. Das Gefängnis stand im Stadtzentrum direkt an der Hase, in die er
gesprungen ist, sich ein Fahrrad mit Hakenkreuz-Wimpel besorgte und darauf zu meinen Eltern
düste, die er vom 'Wandervogel' her kannte, und die damals bei Emlichheim direkt an der deutsch-
niederländischen Grenze wohnten. Dort war mein Vater Volksschullehrer. Mit ihm zusammen
kreuzten sie die Grenze, die damals noch offen und mit deren Zöllner mein Vater bekannt war.
Von anderen Wandervogel-Freunden erfuhren meine Eltern später das tragische Ende dieses
Flüchtlings.

Vielleicht gibt es ja in Osnabrück eine Liste der Nazi-Opfer oder der vertriebenen und
ermordeten Juden. Da müßtest Du mehr über ihn erfahren können. Versuche es einmal.
Sonst müßten wir noch andere Wege überlegen.
Mich interessiert dies Schicksal natürlich auch.

Fritz

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Siehe auch Rubrik 'Zerstörte Biographien:
vie ... php?t=1499

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